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Bericht 39 +++ März 2007 +++ Immer noch in Xi'an +++ Ein Resümee unserer Reise bis hierher

Nach 2,5 Jahren, (911 Tage), insgesamt 23.664 Kilometern, davon 17.815 Kilometer mit dem Fahrrad und 5.849 Kilometer mit Bahn, Bus oder Truck (rechnerisch haben wir somit 75 % der Distanz mit dem Fahrrad zurückgelegt), 1.272 Stunden Fahrzeit, 10 verschlissenen Reifen, 8 Fahrradketten, 3 zerborstenen Felgen, und 3 gebrochenen Rahmen halten wir es an der Zeit, ein Resümee unserer Reise vom September 2004 bis März 2007 durch Europa und Asien zu verfassen.

Auf 911 Tage gerechnet saßen wir pro Tag im Schnitt knapp 2 Stunden im Sattel und haben 20 Kilometer zurückgelegt. Wir wollten die gesamte Strecke mit dem Fahrrad bewältigen, aber auslaufende Visa, Krankheit, für Ausländer extrem gefährliche Gebiete wie Teile von Pakistan und Iran, oder irreparable Fahrradschäden zwangen uns dazu, ab und zu die Fahrräder auf Verkehrsmittel wie Bus, Bahn oder Truck aufzuladen. Im Schnitt gaben wir knapp 600 Euro pro Monat aus, das waren in 30 Monaten also fast 18.000 Euro. Davon musste alles bezahlt werden: Visa, Fahrradteile, Bus- oder Bahnfahrten, Pakete usw.

Die gesamte Strecke legten wir auf dem Landweg zurück, durchquerten 8 Zeitzonen und 13 Länder: Deutschland, Österreich, Ungarn, Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Türkei, Iran, Pakistan, China, Tibet, Nepal und Indien. Kein Gebiet war uns zu kalt, kein Gebiet zu heiß, kein Pass zu hoch. Wir haben unseren Respekt vor Uniformen verloren, denn darin stecken auch nur Menschen. Überwiegend haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht mit Polizei und Militär, die uns immer sehr geholfen haben. Uns überraschte das sehr, denn wir hatten eigentlich mit mehr Ärger gerechnet. Gelegentlich hatten wir monatelange Kämpfe mit den örtlichen Behörden auszutragen. Wegen auslaufender Visa waren wir gezwungen, aus der tibetischen Hauptstadt Lhasa über Nepal nach Indien auszureisen. Von dort versuchten wir auf dem Landweg über Myanmar nach Thailand zu gelangen. Die monatelangen Bemühungen eine Durchreisegenehmigung für Myanmar zu erhalten scheiterten schließlich und da wir uns weigerten ein Flugzeug zu benutzen, führte unser Weg zurück durch Pakistan nach China. Somit haben wir fast den ganzen Himalaja mit unseren Fahrrädern umrundet.

Nun sind wir mitten in China in Xi'an, früher Hauptstadt und der Beginn der Seidenstraße. Von hier aus planen wir unsere Weiterreise nach Neuseeland. Wir müssen nach Beijing um unsere Reisepässe zu wechseln, die verständlicherweise mit Visa vollgeklebt sind und keinen freien Platz mehr übrig haben. Der Rahmen eines Fahrrads ist erneut gebrochen und wir warten auf den Rahmen und einige andere Ersatzteile aus Deutschland.

Das mit Abstand schlimmste Ereignis passierte gleich zu Beginn unserer Reise. In Ungarn erreichte uns die Nachricht, dass meine Mutter ausgerechnet bei einem Fahrradunfall schwer verletzt worden war. Wir flogen sofort nach Deutschland zurück, fanden unsere Mutter und Schwiegermutter aber nur noch im Koma vor, aus dem sie nicht wieder erwachte. Trotz dieses Ereignisses setzten wir die Reise fort, unser Leben musste weitergehen.

Ein weiteres schlimmes Erlebnis war die Durchquerung einer fremdenfeindlichen Gegend in Pakistan, Heimat radikaler Moslems. Wir sind von einer Schar Kinder mit großen Steinen beworfen worden. Die Attacke war so brutal, dass wir um unser Leben fürchten mussten. Als ich am Kopf getroffen wurde und zu bluten anfing, brach Lina in Tränen aus und zitterte am ganzen Körper. Auch ich bekam Angst, zum Glück konnten wir die Kinder vertreiben und verließen das Gebiet so schnell wie möglich. Später hörten wir von einem deutschen Fahrradfahrer, der in dieser Gegend angeblich durch einen natürlichen Steinschlag ums Leben gekommen sein soll. Nach unseren Erfahrungen halten wir es genauso für möglich, dass er von Einheimischen gesteinigt worden war und den Angriff nicht überlebte. Die Behörden vertuschen das Ganze, um dem Ansehen des Landes und dem Tourismus nicht zu schaden.

Schöne Erlebnisse hatten wir viele. Besonders angetan waren wir von der Gastfreundschaft der Menschen in den moslemischen Ländern Türkei, Iran und Pakistan, was natürlich ein Widerspruch ist zu der Radikalität und Gewaltbereitschaft einiger Minderheiten. Wir haben noch nie so eine herzliche Freundlichkeit von Polizisten erlebt, die offenbar versuchen die üblen Vorurteile abzubauen und ihr Land zu einem besseren Ort zu machen.

Der 29 Tage währende Treck zum höchsten Berg der Erde, dem Mt. Everest, wird uns unvergesslich bleiben. Die Umrundung des heiligen Berges Kailash und die Fahrt mit dem Fahrrad über die höchsten Pässe der Welt in Tibet auf über 5000 Meter war unvergleichlich schön.

Von den Menschen, denen wir begegneten, können wir überwiegend nur Gutes berichten. Die Probleme dieser Erde entstehen meist durch Unwissenheit. Somit sind Bildung und Aufklärung das höchste Gut. Ein Beispiel wäre Pakistan: Das Land leidet unter einem verheerenden Zuwachs an Menschen, doch die Religion verbietet es ihnen Verhütungsmittel zu benutzen und so das Problem in Griff zu bekommen. Kinder werden als ein Geschenk Gottes angesehen und je mehr Kinder desto besser, denn sie dienen gleichzeitig als Altersvorsorge für die Eltern. Oft wurden wir gefragt, warum wir keine Kinder hätten und die Menschen beteten für uns, dass Allah uns doch Kinder schenken sollte. Sie verstanden offenbar nicht, dass es ziemlich schwierig ist, einen Kinderwagen hinter dem Fahrrad herzuziehen.   andreaslina(at)yahoo.de




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