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Bericht 40 +++ April 2007 +++ Auf dem Tiananmen +++ Zwei Botschaften in zehn Tagen

Beijing (früher Peking) ist die Hauptstadt Chinas und hier werden im Jahre 2008 die Olympischen Spiele ausgetragen. Rund 14 Millionen Einwohner zählt die Stadt und hat flächenmäßig eine Ausdehnung von Belgien. Der Tiananmen-Square im Zentrum von Beijing (der größte innerstädtische Platz der Welt) heißt ironischerweise auch "Platz des Himmlischen Friedens". Hier sollen am 4. Juni 1989, dem Jahr in dem die Berliner Mauer fiel, Tausende von Studenten brutal vom Militär abgeschlachtet worden sein, weil sie für demokratische Reformen in China demonstrierten. Die den Platz überwachenden Kameras dienten ursprünglich der Verkehrskontrolle, sie wurden bei den Demonstrationen aber zur Observierung der Menschen missbraucht. Später wurden mit der Hilfe der Aufzeichnungen die Anführer der Demonstrationen identifiziert, verhaftet und gefoltert. Am nördlichen Ende des Tiananmen, dort wo das Tor des Himmlischen Friedens in die "Verbotene Stadt" führt, beherrscht ein riesiges über 30 Quadratmeter großes Portrait des Begründers des neuen Chinas den Platz: Mao Tse-tung. Heute Touristenattraktion, war die Verbotene Stadt über Jahrhunderte hinweg das Zentrum der Macht verschiedener Dynastien. An der Örtlichkeit des Machtzentrums hat sich nicht viel geändert, das Parlamentsgebäude liegt ebenfalls an Tiananmen- Square. Noch wird Mao Tse-tung als Held gefeiert. Durch seine kommunistischen Ideen hat er sicherlich einem Großteil der Chinesen relative Sicherheit und Wohlstand gebracht. Doch seine üblen Taten während der Kulturrevolution und die Unterdrückung der Minderheiten wie die der Tibeter oder der moslemischen Uiguri in der Provinz Xinjiang werden verschwiegen. Ein Großteil des Kulturguts wurde damals schlicht vernichtet, die meisten tibetischen Klöster zerstört, das Volk wurde "auf Linie gebracht". In den Jahren 1958-1961 verhungerten durch Maos Politik 38 Millionen Menschen, indem er den Bauern schlicht das Essen wegnahm, um sich durch Getreide- und Fleischexporte bei den Russen und anderen Nationen das "Know-how" zum Bau der Atombombe zu erwerben. Es war die größte Hungersnot in der Geschichte der Menschheit. In den Schulen und im Fernsehen wird nur Gutes über den ehemaligen Herrscher verbreitet. Kommt die Wahrheit heraus, wird auch dieses Denkmal fallen. Dass das Portrait Maos am Tor des Himmlischen Friedens hängt ist etwa so, als würde noch heute das Portrait Adolf Hitlers am Brandenburger Tor hängen. Mit dem winzigen Unterschied, dass Mao keinen Krieg verloren hat.

Die Straßen der Stadt sind zu jeder Tageszeit verstopft, mit dem Taxi ist man kaum schneller als mit dem Bus, nur die U-Bahn hat freie Fahrt. Wir hatten uns in einem Hotel für Ausländer eingemietet, nahe der "Verbotenen Stadt". Trotz dieser zentralen Lage benötigte Lina einmal 5 Stunden mit Taxi, Bus und U-Bahn um zur scheinbar nahegelegenen litauischen Botschaft und wieder zurück zu kommen. Durch den Lärm, Verkehr und die vielen Menschen macht diese Stadt einen nervlich fertig und wir wären nicht hierhergekommen, wenn wir nicht unsere Pässe hätten erneuern müssen.

Deutschland hat fast in jedem Land dieser Welt eine Botschaft. Litauen, jetzt Mitglied der Europäischen Union (EU) hat nur 4 Millionen Einwohner und erwarb erst 1991 die Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Die Atmosphäre in der seit 1995 existierenden Botschaft ist fast familiär, man muss durch keine Sicherheitskontrollen und der Besucherraum hat die Gemütlichkeit eines deutschen Wohnzimmers. Der sehr freundliche und etwas schüchterne Botschafter sprach mehr als eine Stunde sehr offen mit Lina über die Bemühungen der westlichen Nationen Tibet von der chinesischen Besatzung zu befreien, auch über reisende Litauer und die Probleme dieser Welt wurde gesprochen. Nur selten hat der Botschafter Gelegenheit mit gebürtigen Litauern zu sprechen, deshalb nahm er sich so viel Zeit für uns.

Die deutsche Botschaft in Beijing gleicht dagegen einer Festung. Es gibt natürlich wesentlich mehr Besucher die nach Deutschland möchten, und vor Eintritt wird man mit Metalldetektoren nach Waffen durchsucht. Nur durch Panzerglas ist es möglich mit dem Botschaftspersonal zu sprechen. Umgerechnet 135 Euro musste ich für einen neuen Pass berappen. Eine deutsche Angestellte, die seit mehr als zehn Jahren in der Botschaft in Beijing arbeitete, stellte den Pass aus. Peinlich war, dass sie nicht wusste, dass Litauen bereits seit über 2 Jahren zur EU gehört.

Während der 10 Tage in Beijing hatten wir keine Zeit die Touristenattraktionen wie die "Verbotene Stadt" oder "Die große Mauer" zu besuchen. Wir waren hauptsächlich um unsere Pässe bemüht und damit, unsere leere Reisekasse aufzufüllen. Zu diesem Zweck besuchten wir einige Redaktionen von Magazinen, die eventuell Interesse an Berichten über unsere Reise und an unseren Fotos hätten, teilweise mit Erfolg.

Glücklicherweise habe ich in Pucheng, einer kleinen Stadt, 120 km von Xi'an entfernt, Arbeit als Englischlehrer gefunden. Doch der Aufwand rechtfertigt kaum die Einnahmen. Es handelt sich um eine Privatschule, die den Kindern der Familien, die es sich leisten können, zusätzlich zu den Stunden in den staatlichen Schulen am Wochenende Privatunterricht gibt. Über 2 Stunden benötigt der Bus zu der kleinen Stadt. Samstags und Sonntags unterrichte ich je 4 Stunden. Dabei springen gerade einmal etwa 220 Euro im Monat heraus, aber wir brauchen jeden Cent um unsere Reise fortsetzen zu können. Die Schüler haben in unterschiedlichen Klassen ein Alter von 6-16 Jahren. Da wir kein chinesisch können, ist es nicht leicht zu unterrichten, besonders schwierig sind die jüngsten Semester, die sehr wenig verstehen von dem, was wir reden. Nur mit der Hilfe unseres chinesischen Englisch sprechenden Schulleiters ist dieser Unterricht möglich.

Wir haben mithilfe unseres chinesischen Freundes Michael (wegen der für Ausländer schwierigen Aussprache der chinesischen Namen legen sich Chinesen, die intensiv englisch lernen, einen englischen oder amerikanischen Namen zu) ein Zimmer in einem versteckten chinesischen Hotel gefunden für umgerechnet 2 Euro am Tag. Dafür müssen wir allerdings auf ein eigenes Bad und Toilette verzichten. Es gibt Gemeinschaftsduschen, die von 17- 20 Uhr in Betrieb sind. Meist ist das Gedränge groß und es ist schwierig einen Platz zu finden, besonders bei den Frauen. Die Chinesen sind wesentlich hemmungsloser als die Europäer, und haben keine Probleme ihren nackten Körper zu zeigen. Beim großen Geschäft auf den Hocktoiletten gibt es häufig keine Türen. Selbst in den Gemeinschaftstoiletten an den Bahnhöfen der großen Städte kann man die Leute bei ihrem Stuhlgang beobachten, selbst wenn es Türen gibt, werden sie häufig wohl aus Gewohnheit nicht geschlossen. Dabei wird Zeitung gelesen, mit dem Handy telefoniert, oder sich eine Zigarette angezündet. Es wird wahnsinnig viel geraucht in China. Die Leute scheinen nicht ganz aufgeklärt zu sein über die gesundheitlichen Folgen und viele Männer rauchen Kette. Dadurch bildet sich Schleim im Hals, der am Morgen lautstark ausgewürgt wird. Das schallt dann durch das ganze Hotel. Dieses Ritual kann sich minutenlang hinziehen und für uns ist es immer eine Qual diese Geräusche ertragen zu müssen.

Der Vater unseres chinesischen Freundes Michael ist Manager einer Textilfabrik mit 7000 Mitarbeitern. Dort wird Baumwolle zu Stoff verarbeitet. Wir besichtigten diese Fabrik, hier gibt es nichts zu verstecken, die Arbeitsbedingungen sind relativ human. Die Leute arbeiten eine 40-Stunden-Woche. Doch die Löhne sind im Vergleich zu Deutschland unvorstellbar niedrig. Ein normaler Arbeiter in dieser Fabrik verdient weniger als 100 Euro im Monat. Michaels Vater, der Manager der Textilfabrik, verdient das 10-fache, was immer noch unter dem Lohn eines durchschnittlichen Arbeiters in Deutschland liegt. Nach diesen Erkenntnissen wundert es uns nicht, dass viele Firmen ihre Produkte im Land der billigen Löhne herstellen lassen. Unser Freund Michael geht noch diesen Monat für anderthalb Jahre an eine Universität in England, um Wirtschaft und Management zu studieren. Die Strukturen des Kommunismus sind hier noch tief verwurzelt und wir vermuten, dass das Studium von Michael von den Einnahmen der Fabrik bezahlt wird und damit zulasten der Arbeiter. Michael ist bereits 24 Jahre, weiß aber nichts über die brutale Eroberungs- und Unterdrückungspolitik und die rücksichtslose Umweltverpestung der Fabriken seines Landes. Er ist stolz Chinese zu sein. Michael wurde, wie den meisten Chinesen, von der staatlichen Zensur das Gehirn gewaschen. Er ist nicht dumm aber sehr naiv. Sein Ziel ist, wie das Ziel vieler Chinesen, reich zu werden und zu relativem Wohlstand zu gelangen, etwas anderes scheint ihn nicht zu interessieren.    © Andreas und Lina Killat




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