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Bericht 33 +++ Juni 2006 +++ Wieder in Pakistan +++ Besuch bei Hildegard und Ali

Bei 40 Grad Hitze über die abgasverseuchten Autobahnen Pakistans zu radeln ist wirklich kein Vergnügen. Nicht selten werden wir von der hiesigen Bevölkerung, die an die Hitze ja gewöhnt ist, einfach für verrückt erklärt. Aus diesem Grund fahren wir morgens schon lange vor Einsatz der Dämmerung los, um der bereits um 8 Uhr früh einsetzenden Hitze zu entgehen. Meist haben wir dann schon einen großen Teil des angestrebten Streckenabschnitts geschafft. Nach mehreren hitzebedingten Zusammenbrüchen im letzten Jahr haben wir dazugelernt, und bevor die Sonne unsere Körper zu sehr erhitzt und austrocknet legen wir eine Pause ein, befeuchten unsere Kopftücher mit kaltem Wasser, trinken literweise und kühlen uns im Schatten ab.

Bei solch einer Erfrischungspause wurden wir nach 100 schwer erradelten Kilometern ins Büro einer Tankstelle eingeladen und der Neffe brachte uns mit seiner in diesem Ort lebenden deutschen Tante Hildegard in Kontakt. Ehe wir uns versahen standen wir im Innenhof ihres Hauses, in einem kleinen Paradies mit vielen Pflanzen, einer Voliere mit Dutzenden von Wellensittichen, zwei wegen der Hitze kurzgeschorenen Yorkshire-Terriern und deutschem Satellitenfernsehen. In diesem schmutzigen Dorf hatten wir wirklich keine Leute aus Deutschland erwartet, die Gassen sind eng und verwinkelt, überall stinkt es, die Abwasserkanäle sind offen. Die Deutsche hatte vor 27 Jahren den in Deutschland arbeitenden Pakistani Ali kennengelernt und geheiratet. Ali nahm die deutsche Staatsangehörigkeit an, doch nach 16 Jahren in Deutschland kehrten die beiden in Alis ursprüngliche Heimat zurück, in das Haus der verstorbenen Eltern. Alis Familie ist riesig, die Bindungen sind wesentlich enger als bei uns, und die beiden sind nur selten allein. Inzwischen sind sie im Dorf hoch angesehen und bekannt wie bunte Hunde. Vom ersten Augenblick fühlten wir uns hier wie zu Hause und in stundenlangen Gesprächen erfuhren wir immer mehr von islamischen Bräuchen und Sitten und pakistanischer Lebensart.

Anders als im Iran ist für Frauen das Kopftuch in Pakistan keine Pflicht. Doch recht häufig sieht man Frauen in der sogennanten "Burka", das ist eine Ganzkörperverhüllung bei der sogar die Augen durch einen Schleier verdeckt sind. Viele Frauen werden vom Mann und der Familie aus streng religiösen Motiven gezwungen diese Burka zu tragen. Doch häufig fielen uns unter dieser Verhuellung die glaenzenden Stoeckelschuhe und lackierten Fußnägel auf, und nach den Aussagen von Hildegard und Ali sind diese Frauen die "Schlimmsten". Ein grosser Teil der Frauen soll die Burka freiwillig tragen, um ihr geschminktes Gesicht, blondierte Haare und enganliegende westliche Kleidung zu verbergen, denn in diesem Aufzug wären sie sofort Freiwild für die sexuell ausgehungerten pakistanischen Männer.

Die Verklemmtheit und die Probleme mit der religionsbedingten unterdrückten Sexualität zeigen sich auch sehr deutlich in den Internetcafés der großen Städte. Die Computer stehen meist in engen uneinsehbaren Kabinen, und die Männer praktizieren dort Selbstbefriedigung anhand der überall zu Verfügung stehenden Pornoseiten.

Die Ehe gilt im Koran als Pflicht eines Moslems, die arrangierte Ehe wird dabei der Liebesheirat vorgezogen. Nach islamischem Recht ist es den Männern in Pakistan erlaubt mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet zu sein und mit ihnen Kinder zu haben. Das ist dann schon ein kleiner Harem, aber das gibt es nur sehr selten. Zwei Frauen zu haben ist allerdings völlig normal hierzulande. Der Islam schreibt vor, dass die erste Frau mit der Zweitehe einverstanden sein muss und nach der Heirat genauso gut behandelt wird wie die zweite Frau. Unfruchtbarkeit der ersten Frau und Frauenüberschuss sind oft die Gründe. Manchmal wird dieses Recht jedoch missbraucht und es wird geheiratet, weil die erste Frau an Attraktivität verloren hat.

Nierentransplantationen sind hier in Pakistan der letzte Schrei. Hat man genug Geld kann man sich für etwa 4000Euro eine neue, von lebenden Menschen gespendete Niere einpflanzen lassen, und das fast ohne Wartezeit, Behandlungsdauer 4-5 Wochen. Arme Menschen gehen hier zum Krankenhaus und können völlig legal eine Niere spenden und bekommen Geld dafür, wieviel wissen wir nicht. Über die Moral in dieser Angelegenheit lässt sich streiten. Einerseits helfen die gesunden Armen den kranken Reichen zum Überleben. Kann jedoch ein armer Pakistani das Geld für eine Operation nicht aufbringen, muss er an Nierenversagen sterben.    andreaslina@yahoo.de




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