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Bericht 32 +++ Juni 2006 +++ Der Goldene Tempel in Amritsar +++ An der indisch-pakistanischen Grenze

Der "Goldene Tempel" in Amritsar im indischen Punjab, 30 km von der indisch-pakistanischen Grenze, ist der heilige Pilgerort der Sikhs, einer Volksgruppe im Nordwesten Indiens, die sich zwischen dem 15. und dem 18. Jahrhundert unter der Führung von 10 Gurus zu einer religiösen und politischen Macht entwickelte. Nach blutigen Auseinandersetzungen mit muslimischen und indischen Machthabern leben sie nun in relativer Autonomie und religiöser Freiheit. Man erkennt die gläubigen Sikhs an ihren farbigen und mächtigen Turbanen. Viele von ihnen schneiden sich nie die Haare und drücken damit ihren Respekt vor dem Willen des Schöpfers aus. Der Boden in und um den Goldenen Tempel darf nur ohne Schuhe betreten werden und es wird darum gebeten sich vorher Hände und Füße zu waschen. Das Gelände ist von penibler Sauberkeit, jeder Quadratzentimeter wird ständig gewischt und gereinigt, im Tempelinneren sogar mit Milch. Auch die Männer müssen eine Kopfbedeckung tragen. Der "Goldene Tempel" liegt in dem nach den Anweisungen eines Gurus künstlich angelegten Teich "Amrit Sarovar" (abgeleitet davon entstand der Name der Stadt "Amritsar"), in dessen Wassern sich die Gläubigen vor dem Betreten des Tempels reinwaschen oder das heilige Wasser trinken. Umgeben ist der Teich von einer Palastanlage mit einem Tor auf jeder Seite, was die Offenheit der Sikhs allen Menschen und Religionen gegenüber symbolisieren soll. Der Tempel ist vorwiegend aus Marmor und sage und schreibe 750 Kilogramm purem Gold erschaffen. Im Erdgeschoss des kleinen dreistöckigen Gebäudes wird den ganzen Tag von vier Priestern mit musikalischer Begleitung aus dem heiligen Buch der Sikhs, dem "Guru Granth Sahib" rezitiert und über Lautsprecher auf das ganze Tempelgelände übertragen, was eine faszinierende, harmonische Athmosphäre schafft. 30.000 Pilger werden hier tagtäglich unentgeltlich mit Essen und Tee versorgt. Die Unterkunft ist ausserdem kostenfrei. Wir haben noch nie zuvor einen eindrucksvolleren und friedlicheren Pilgerort besucht. Wir waren an diesem Tag die einzigen "Bleichgesichter" (so nennen wir die Leute aus den reichen Industrienationen) an diesem Ort und wurden herzlich und wohlwollend in der religiösen Gemeinschaft willkommen geheissen, viele Pilger lachten uns an und gaben uns die Hände.

Zugleich mit Indien wurde Pakistan 1947 von den britischen Kolonialherren in die Unabhängigkeit entlassen. Die völlig unterschiedlichen religiösen Ansichten und Lebensweisen der Hindus und Moslems ließen sich nicht miteinander vereinbaren und so entstanden zwei Staaten. Die Beziehungen der beiden Staaten waren noch nie besonders gut, der Grenzverlauf in der Provinz Kashmir ist bis heute nicht klar, ständig gibt es Kämpfe in dieser Region und seit 1998 bedrohen sich die beiden Atommächte sogar mit Nuklearwaffen. Das gespannte Verhältnis wurde uns besonders beim Grenzübertritt nach Pakistan klar. Jeden Abend wird in einem theatralischen militärischen Akt die Grenze geschlossen. Einzig zu diesem Zweck sind auf beiden Seiten Tribünen für Zuschauer eingerichtet worden. Auf der pakistanischen Seite mussten Lina und ich nach islamischer Sitte auf unterschiedlichen Tribünen Platz nehmen. Auf der indischen Seite saßen die Geschlechter durcheinander. Hier führten Frauen in kunterbunten Saris (indisches Kleid) provokativ mit lauter Musik indische Tänze auf. Auf unserer Seite schwang ein alter pakistanischer Patriot eine große pakistanische Fahne und heizte die Menge dazu an immer wieder im Chor: "Es lebe Pakistan!" zu rufen. Auf der indischen Seite geschah das Gleiche, nur ließen die Inder natürlich ihr eigenes Land hochleben. In einem theatralischen Akt wurden dann von in prächtigen militärischen Kostümen im Stechschritt schreitenden Soldaten die Fahnen beider Länder eingeholt, ein kurzer Händedruck zwischen den Offizieren beider Länder, dann wurde die Grenze für die Nacht geschlossen. Diese bizarre Zeremonie soll einmalig sein zwischen zwei Ländern, für uns war es nur ein lächerliches Kasperletheater, ein überflüssiges nationalistisches Säbelrasseln der beiden Staaten, bei dem die Zuschauer auch noch begeistert mitmachen.    andreaslina@yahoo.de




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