home   velotour 2004-2006   links   kontakt   
aktuell   reiseberichte   ausrüstung   bilder
bericht 27   bericht 28   bericht 30

Bericht 28 +++ Februar 2006 +++ Indien: Große Neugier über­all

Indien übertrifft unsere Befürchtungen um ein Vielfaches. Der Subkontinent ist mit seinen 329 Einwohnern pro qkm eine der dichtbevölkertsten Regionen der Erde. Sich das Elend vorzustellen oder mittendrin zu stecken, ohne Fluchtmöglichkeit, sind zwei Paar Schuhe. Wir erleben Indien nicht aus der Sicht des Pauschalurlaubers, der abgeschottet untergebracht in klimatisierten Hotels, sich die für Touristen herausgeputzten Sehenswürdigkeiten anschaut. Wir erleben das Indien auf der Straße, ertragen den Dreck und Gestank und die Aufdringlichkeit der ungebildeten Landbevölkerung, in deren Gesichtern man weder Zu- noch Abneigung erkennt und in deren Augen man meist ins Leere schaut.

Freies Campieren in Indien wird von keinem vernünftigen Radfahrer empfohlen. Um den schmutzigen Städten zu entgehen, in denen man gezwungen ist sich in die bedrückende Enge der muffigen Hotelzimmer zurückzuziehen, versuchten wir es dennoch mehrmals. Wenn man nichts dagegen tut wird man beim Zelten schnell von Dutzenden von Leuten umringt. Wir Europäer sind es gewohnt eine Privatsphäre zu haben, aber dieses Wort ist in der hiesigen Sprache wahrscheinlich unbekannt. Um unsere Fahrräder besser im Blick zu haben, lassen wir den Eingang des Zeltes über Nacht immer ein wenig geöffnet. Bereits um sechs Uhr morgens, wenn wir noch schlafen, kommen Leute, starren schamlos in unser "Schlafzimmer" und putzen sich dabei wie selbstverständlich mit Bambusstöcken die Zähne. In solchen Situationen platzt uns natürlich der Kragen und wir schreien die Menschen an, dass sie fortgehen sollen und das meist auf deutsch, denn die Sprache spielt in dem Fall keine Rolle. Auf Englisch kann man mit der Landbevölkerung hier meist nicht kommunizieren, obwohl Indien lange Zeit britische Kolonie war und Englisch Amtssprache ist. Allein durch das wilde gestikulieren und den rohen Ton unserer Stimmen verstehen sie meist was wir meinen, und ziehen enttäuscht ab. Man erntet dadurch natürlich keine Sympathie und das zerrt an den Nerven.

Anders als in Deutschland wird man nicht vertrieben, sondern willkommen geheißen und darf fast überall zelten. Die Menschen sind nicht schlecht, sie sind nur neugierig, und machen sich sogar Sorgen um unser Wohlergehen. Deshalb tut es besonders weh sie schlecht behandeln zu müssen, und man fühlt sich danach miserabel. Aber niemand der diese Erfahrung noch nicht gemacht hat kann es sich vorstellen wie es ist, von Dutzenden von Augenpaaren schamlos angestarrt und bei jeder Bewegung beobachtet zu werden.

Wir waren völlig überrascht auf unserem Weg in Richtung Kalkutta nach einer schlecht asphaltierten, zweispurigen Straße plötzlich ein kurzes Stück Autobahn vorzufinden, in der Qualität den deutschen durchaus ebenbürtig. Die westbengalische Landbevölkerung nutzt den Highway jedoch auf andere Weise. Die Standspur wird von Fahrrädern und Ochsenkarren genutzt und auf der Überholspur, auf der in Deutschland Ferraris Geschwindigkeitsrekorde aufstellen, breiten Frauen Getreide und Kuhfladen zum Trocknen aus. Die Gefahrenzone wird mit großen Steinen abgegrenzt.

Jetzt sitzen wir in Kalkutta fest und warten auf eine Sondergenehmigung der Regierung von Myanmar (früher Burma) mit dem Fahrrad durch das Land reisen zu dürfen. Viele Chancen geben wir uns nicht, denn unseres Wissens ist es noch keinem Fahrradfahrer gestattet worden das Land der goldenen Pagoden auf dem Landweg von Indien nach Thailand zu durchqueren.    andreaslina@yahoo.de




nach oben