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Bericht 21 +++ Juli 2005 +++ Rahmenbruch auf dem Xin­jiang-Tibet Highway +++ Im Lkw über 700 Kilometer Well­blech­piste

Etwas Schlimmeres kann einem Tourenbiker auf der höchsten Strasse der Welt wohl kaum passieren. Kurz nach der Überwindung eines 4800m hohen Passes freuten wir uns auf eine 45km lange Abfahrt, als es plötzlich "KNACK" machte. Der Rahmen meines Fahrrads war gebrochen. Lina setzte sich an den Straßenrand und weinte. Der Traum die 3000km lange, vorwiegend unasphaltierte Piste mit zahlreichen Pässen über 5000m, durch die chinesischen Provinzen Xinjiang und Tibet, von der Stadt Kashgar bis zum ehemaligen Regierungssitz des Dalai Lama, der Stadt Lhasa in Tibet, mit unseren eigenen Kräften, nur auf den Sätteln unserer Fahrräder zu überwinden, war zu Ende.

Drei Stunden warteten wir bis das erste Fahrzeug vorbeikam, das in unsere Richtung fuhr. Wir luden die Fahrräder samt Gepäck auf die Ladefläche eines Lastwagens und fuhren in die 40km entfernte, fast ausschließlich an den Bedürfnissen der vorbeikommenden Truckfahrer ausgerichteten Ortschaft Xaidulla. Diese Siedlungen bestehen meist nur aus einer einzigen Reihe links und rechts neben der Strasse gelegenen Häusern. Jedes Haus hat einen Hinterausgang und die Plätze dort dienen als Toilette und Abfallhalde, in denen sich die zum Schlachten und Eierlegen angeschafften Enten und Hühner ihr Futter suchen. Sonst gewohnt an der frischen Luft draußen zu campen, mussten wir uns die nächsten Tage frustriert in sogenannte "Dormitories" einmieten. Dormitories sind hier meist hinter Restaurants befindliche, ohne Fenster notdürftig aus Brettern zusammengenagelte Unterkünfte, die gestressten Truckfahrern als Nachtlager dienen. Mehr als schlafen kann man in diesen stinkenden Löchern wirklich nicht.

Am nächsten Tag ergatterten wir für umgerechnet 65 Euro zwei Plätze in einem Lastwagen, der uns ins 700km entfernte tibetische Ali bringen konnte, die nächstgelegene Stadt mit Internetanschluss und der Möglichkeit für internationale Telefonate. Die Fahrt war die reinste Tortur und dauerte vier Tage. Der "Highway" ist auf nahezu der ganzen Länge unasphaltiert und es ist als ob man quer über ein Wellblechdach fährt, und eine Geschwindigkeit über 30km/h ist meist nicht möglich. Oft führt die Strasse durch reißende Flüsse und nur dem Geschick unseres Fahrers war es zu verdanken, dass wir nicht stecken blieben. Einmal ging es wirklich nicht mehr weiter. Das angestaute Wasser eines Flusses hatte die halbe Strasse weggerissen und in einen Wasserfall verwandelt. Stundenlang suchten die Männer nach einer Lösung, doch gegen die strömenden Wassermassen waren sie hilflos. Im Laufe des Tages verschwand die ganze Strasse in ihrer voller Breite im Fluss. Ein Lastwagen einer Straßenreparaturstation lud große runde Steine ab. Langsam begannen die Männer eine Rampe zu bauen und mit den Steinen zu befestigen. Das ist nicht so einfach auf 4800m über dem Meeresspiegel, die Luft fehlt, und die Bewegungen sind langsam und träge. Hier müssen sich die Truckfahrer selber helfen, denn eine Reparatur durch die offiziellen Stellen kann Tage dauern. Jeder half mit, auch wir, und nach 9 Stunden war das Werk vollendet uns es konnte weitergehen. Einige Lastwagen blieben im Fluss stecken und mussten herausgezogen werden. Von einem Tibeter verlangte unser Fahrer aus Xinjiang umgerechnet 10 EURO für das Herausziehen. Nur unter chinesischen Truckfahrern herrscht Solidarität. Mit zitternden Händen gab der Tibeter unserem Fahrer das Geld. Die anderen Chinesen lachten schadenfroh. Hier bekamen wir erstmals die Unterdrückung der Tibeter durch die Chinesen zu spüren.

Jetzt sitzen wir in Ali im westlichen Tibet fest. Die winzige Stadt liegt auf 4200m und hat keinen Flughafen. Tibet ist postale Sperrzone. Tausende von Kilometern um uns herum ist nichts als Wildnis. Der Fahrradrahmen lässt sich nicht mehr reparieren. Bei all den Schwierigkeiten wäre es vielleicht besser gewesen, wenn wir es mit diesen Fahrrädern bei einer Bodenseeumrundung belassen hätten.    andreaslina@yahoo.de




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