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velotour 2004-2006  
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Etwas Schlimmeres kann einem Tourenbiker auf der
höchsten Strasse der Welt wohl kaum passieren. Kurz
nach der Überwindung eines 4800m hohen Passes freuten
wir uns auf eine 45km lange Abfahrt, als es plötzlich
"KNACK" machte. Der Rahmen meines Fahrrads war
gebrochen. Lina setzte sich an den Straßenrand und
weinte. Der Traum die 3000km lange, vorwiegend
unasphaltierte Piste mit zahlreichen Pässen über
5000m, durch die chinesischen Provinzen Xinjiang und
Tibet, von der Stadt Kashgar bis zum ehemaligen
Regierungssitz des Dalai Lama, der Stadt Lhasa in
Tibet, mit unseren eigenen Kräften, nur auf den
Sätteln unserer Fahrräder zu überwinden, war zu
Ende.
Drei Stunden warteten wir bis das erste Fahrzeug
vorbeikam, das in unsere Richtung fuhr. Wir luden die
Fahrräder samt Gepäck auf die Ladefläche eines
Lastwagens und fuhren in die 40km entfernte, fast
ausschließlich an den Bedürfnissen der vorbeikommenden
Truckfahrer ausgerichteten Ortschaft Xaidulla. Diese
Siedlungen bestehen meist nur aus einer einzigen Reihe
links und rechts neben der Strasse gelegenen Häusern.
Jedes Haus hat einen Hinterausgang und die Plätze
dort dienen als Toilette und Abfallhalde, in denen
sich die zum Schlachten und Eierlegen angeschafften
Enten und Hühner ihr Futter suchen. Sonst gewohnt an
der frischen Luft draußen zu campen, mussten wir uns
die nächsten Tage frustriert in sogenannte
"Dormitories" einmieten. Dormitories sind hier meist
hinter Restaurants befindliche, ohne Fenster
notdürftig aus Brettern zusammengenagelte
Unterkünfte, die gestressten Truckfahrern als
Nachtlager dienen. Mehr als schlafen kann man in
diesen stinkenden Löchern wirklich nicht.
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Am nächsten Tag ergatterten wir für umgerechnet 65
Euro zwei Plätze in einem Lastwagen, der uns ins 700km
entfernte tibetische Ali bringen konnte, die
nächstgelegene Stadt mit Internetanschluss und der
Möglichkeit für internationale Telefonate. Die Fahrt
war die reinste Tortur und dauerte vier Tage. Der
"Highway" ist auf nahezu der ganzen Länge
unasphaltiert und es ist als ob man quer über ein
Wellblechdach fährt, und eine Geschwindigkeit über
30km/h ist meist nicht möglich. Oft führt die
Strasse durch reißende Flüsse und nur dem Geschick
unseres Fahrers war es zu verdanken, dass wir nicht
stecken blieben. Einmal ging es wirklich nicht mehr
weiter. Das angestaute Wasser eines Flusses hatte die
halbe Strasse weggerissen und in einen Wasserfall
verwandelt. Stundenlang suchten die Männer nach einer
Lösung, doch gegen die strömenden Wassermassen waren
sie hilflos. Im Laufe des Tages verschwand die ganze
Strasse in ihrer voller Breite im Fluss. Ein Lastwagen
einer Straßenreparaturstation lud große runde Steine
ab. Langsam begannen die Männer eine Rampe zu bauen
und mit den Steinen zu befestigen. Das ist nicht so
einfach auf 4800m über dem Meeresspiegel, die Luft
fehlt, und die Bewegungen sind langsam und träge.
Hier müssen sich die Truckfahrer selber helfen, denn
eine Reparatur durch die offiziellen Stellen kann Tage
dauern. Jeder half mit, auch wir, und nach 9 Stunden
war das Werk vollendet uns es konnte weitergehen.
Einige Lastwagen blieben im Fluss stecken und mussten
herausgezogen werden. Von einem Tibeter verlangte
unser Fahrer aus Xinjiang umgerechnet 10 EURO für das
Herausziehen. Nur unter chinesischen Truckfahrern
herrscht Solidarität. Mit zitternden Händen gab der
Tibeter unserem Fahrer das Geld. Die anderen Chinesen
lachten schadenfroh. Hier bekamen wir erstmals die
Unterdrückung der Tibeter durch die Chinesen zu
spüren.
Jetzt sitzen wir in Ali im westlichen Tibet fest. Die
winzige Stadt liegt auf 4200m und hat keinen
Flughafen. Tibet ist postale Sperrzone. Tausende von
Kilometern um uns herum ist nichts als Wildnis. Der
Fahrradrahmen lässt sich nicht mehr reparieren. Bei
all den Schwierigkeiten wäre es vielleicht besser
gewesen, wenn wir es mit diesen Fahrrädern bei einer
Bodenseeumrundung belassen hätten.
andreaslina@yahoo.de