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Bericht 19 +++ Juni 2005 +++ Auf dem Karakorum-Highway +++ Ein Zusammenbruch

Der Karakorum-Highway ist wohl der Traum eines jeden Tourenbikers. Auf 1200 Kilometern verbindet er als einzige Straße Pakistan mit China. In einer unglaublichen Leistung arbeiteten rund 30.000 Pakistani und Chinesen zusammen, meist nur mit Spitzhacke und Schaufel ausgestattet, um die Idee dieser Straße in die Wirklichkeit umzusetzen. Der Bau dauerte von 1966-1978 und kostete durch Erdrutsche und Steinschlag viele Menschenleben, fast eines für jeden Kilometer errichteter Straße. Auch heute bedarf die Straße ständiger Reparaturen, einige Stellen sind erst gar nicht asphaltiert, da die Fahrbahn ständig von Steinschlag aufgerissen wird. Dann ist der Highway oft tagelang gesperrt und schweres Räumgerät steht bereit um die Schäden zu beseitigen. Die "Straße der Freundschaft", wie sie auch genannt wird, führt durch die gewaltigen Gebirgsmassive des Karakorumgebirges und man wird ganz klein und demütig, wenn man hier mit dem Fahrrad hindurchfährt.

Auf diesem Weg kommt man auch durch die Region des wilden Kohistan. Hier herrschen rüde islamische Stammesgesetze, Frauen nehmen hier nicht mehr am öffentlichen Leben teil und man sieht sie so gut wie gar nicht mehr auf der Straße. Lina trug ein langes weites Kleid in züchtigem Schwarz und war bis auf das Gesicht und Hände nach islamischem Brauch fast vollständig verhüllt. Aber allein unsere Anwesenheit schien hier zu provozieren und der Hass in den Augen vieler Männer war unumdeutbar. Von den Kindern wurden wir mit Steinen beschmissen, wir sahen Männer mit Abbildungen von "Osama bin Laden" auf der Brust, und mit eindeutigen Handbewegungen wurde uns klar gemacht, dass uns der Kopf abgeschnitten gehört.

Wir hatten die Region Kohistan zwar schon verlassen, aber aus Gründen der Sicherheit wollten wir in Pakistan nicht mehr im Freien übernachten. Nach rund 8000 erkletterten Höhenmetern auf fast 500 Kilometern Strecke in 12 Tagen auf diesem Highway sagte ich zu Lina am frühen Nachmittag eines unerträglich heißen wolkenlosen Tages: "Bei mir geht nichts mehr". Das will bei mir was heißen, denn normalerweise bin ich der Stärkere in unserem Team. Es war als wenn man aus mir die Luft herausgelassen hätte, ich hatte einfach keine Kraft mehr. Ich versuchte mit Salz, Zucker und Vitaminen ein eventuelles Defizit meines Körpers zu korrigieren, doch die Kraft kam nicht wieder. 25 Kilometer waren es noch bis zum nächsten Rasthaus und wir versuchten dieses in der Hoffnung auf kalte Getränke und aus den bereits erwähnten Gründen der Sicherheit unbedingt zu erreichen. Teilweise schoben, teilweise fuhren wir mit den Fahrrädern bis tief in die Nacht. Oft musste ich mich schon nach 500 Metern vor Erschöpfung flach auf den Boden legen und der Mund wurde selbst nach reichlichem Trinken des teewarmen Wassers nach wenigen Minuten wieder papptrocken. Nur 3 Kilometer vor unserem Ziel brachen meine Kräfte und mein Willen völlig in sich zusammen. 14 Stunden waren wir nun schon an diesem Tag unterwegs. Zum Zeltaufbau fehlte uns die Kraft, so rollten wir unsere Schlafmatten aus und schliefen im Freien. Ich verbrachte eine unruhige Nacht, in der einen Hand meinen hölzernen Verteidigungsstock, in der anderen meine Lenkertasche mit den Wertsachen. Unter normalen Bedingungen hätte ich die Nacht genossen. Es war sternenklar und der Vollmond beleuchtete die vereisten Hänge des 8125m hohen Killermountains "Nanga Parbat".    andreaslina@yahoo.de




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