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An der türkisch-iranischen Grenze hatten wir das
Gefühl Europa endgültig zu verlassen. Und erst an
der iranisch-pakistanischen Grenze hatten wir das
Gefühl endgültig in Asien angekommen zu sein.
Wegen erhöhtem Entführungsrisiko wird vor Reisen auf
dem Landweg in dieses Grenzgebiet, insbesondere mit
dem Fahrrad oder Motorrad, auf der Internetseite des
Auswärtigen Amtes ausdrücklich gewarnt. Im Dezember
2003 sind hier 2 Deutsche und ein Ire gekidnappt
worden. Angeblich von Drogenschmugglern. Wir sind zwar
ein bisschen verrückt aber noch lange nicht
lebensmüde und wir wollten dieses gefährliche Stück
natürlich unbedingt meiden.
Doch es kam anders. Auf dem Busbahnhof der iranischen
Stadt Zahedan schien es keine Busse in Richtung Grenze
zu geben und ein geschäftstüchtiger Taxiunternehmer
wollte unsere missliche Lage ausnutzen. Für 20 Dollar
bot er an uns beide und die Fahrräder samt Gepäck
die 100 Kilometer bis zur pakistanischen Grenze zu fahren. Der
Preis schien uns angemessen, doch wie wollte er das
alles unterbringen in einem koreanischen Kleinwagen von
der Größe eines Opel Corsa? Es stellte sich heraus,
dass er zwei Autos benötigte und den doppelten Preis.
Wir reagieren allergisch auf uneingelöste Versprechen
und obwohl er noch um 10 Dollar runterging und sich
eifrig um uns bemühte sagten wir aus Prinzip nein,
schwangen uns auf die Fahrräder und steuerten
Richtung Grenze.
Die Straße war wie ausgestorben, rundherum nur
menschenleere Wüste. Ein ideales Gebiet für
Kidnapping. In einer Pause fragte ich Lina, ob ihr
nicht ein wenig unwohl sei. Sie zuckte nur mit den
Schultern und seufzte: "Hilft ja nichts. Jetzt müssen
wir eine Entführung wohl in Kauf nehmen". Mir wurde
fast schlecht und ich spähte ängstlich in die Ferne.
Mit einem schiefen Lächeln versuchte ich ihre Antwort
als misslungenen Scherz abzutun. Auf 100 km gab es nur
ein paar Polizeiposten, und kein einziges Dorf. Auf
keinen Fall wollten wir in dieser gottverlassenen
Einöde übernachten. Von Angst getrieben traten wir
kräftig in die Pedalen und kamen dank Rückenwind
bereits am frühen Nachmittag heil an der Grenze an.
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Mit viel Glück erwischten wir auf der pakistanischen
Seite noch einen alten Reisebus. Mit den Fahrrädern
auf dem Dach wackelten wir nun 600 km auf schlechten
Straßen durch die sehr dünnbesiedelte, fast
vegetationslose Wüstenlandschaft Beluchistans. Wir
drückten uns die Nasen an der Scheibe platt und
bedauerten es, dieses interessante Gebiet nur mit dem
Bus durchfahren zu können. Flüchtlinge aus
Afghanistan, Drogenhändler, und gewalttätige
Stammesgruppen waren hier zugegen und diese Mischung
hätte unsere Fahrt mit dem Fahrrad zu einem
unkalkulierbaren Sicherheitsrisiko werden lassen. Der
Bus war voller moslemischer Pilger und zu den
festgelegten Gebetszeiten hielt er an, damit die
Gläubigen in der Wüste ihre Teppiche ausrollen
konnten, um in Richtung Mekka zu beten. Stundenlange
Reparaturen am Bus verzögerten die Fahrt zusätzlich
und so trafen wir erst nach 17 Stunden und einer
langen Nacht in der Stadt Quetta ein.
Quetta ist die Haupstadt Beluchistans und stinkt
entsetzlich. Die Abwasserkanäle fließen offen am
Straßenrand und sind voller Müll. Am ersten Tag
kosteten wir einige pakistanische Spezialitäten an
den zahlreichen nicht sehr hygienischen Imbissbuden.
Prompt holten wir uns beide eine Darminfektion, litten
unter Durchfall und Magenkrämpfen. Mehrere Tage waren
wir zu nichts mehr fähig und lagen meist schlafend
mit Fieber im Bett. Unser Immunsystem muss sich erst
an das ungewohnte Essen gewöhnen und wir sind mit der
Wahl unseres Speiseplans nun etwas vorsichtiger.
andreaslina@yahoo.de