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Bericht 44 +++ 11.-18. April 2008
Von Phuket/Thailand nach Singapur / 8 Tage / 1020 km
Boot: 2-mastiger Motorsegler aus Holz, Länge: 18m
Name: "Four Friends", Kapitän und Eigentümer: Warren Blake

Nachdem wir wochenlang vergeblich versucht hatten per Aushang in den Jachthäfen Phukets ein Segelboot nach Australien zu bekommen, erzählte uns unser Freund Clemens, der uns Unterkunft gewährte und als Bootsmechaniker arbeitete von 2 Segeljachten, die in einem Hafen in Phuket zur Instandsetzung auf dem Trockendock lagen. Der verantwortliche Kapitän suchte erfahrene Crewleute, die ihm helfen konnten die beiden Boote nach Singapur zu bringen. Obwohl wir vom Segeln nicht den blassesten Schimmer hatten, stellten wir uns bei ihm vor. Der Kapitän war mit seinen 68 Jahren schon stark gealtert, hatte ungekämmtes, schütteres, weißes Haar, war von hagerer Gestalt und etwas wackelig auf den Beinen. Sein Name war Warren Blake, gebürtiger Neuseeländer, lebte aber bereits seit über 30 Jahren in Singapur. Er war für 2 Boote verantwortlich. Einmal handelte es sich um die 30 Meter Trimaran Superjacht (ein Segelboot mit 3 Rümpfen) "Long Ranger", mit einem Wert von 3.000.000 US$ und allem erdenklichen Schnick-Schnack an Bord: Klimaanlage, Kühlraum, einigen Luxuskabinen mit TV und eigenem Bad, Umkehrosmoseanlage (Wassermacher), Internet, Radar, GPS, Autopilot etc. Das Boot gehörte einem Russen, der unseren Kapitän eingestellt hatte für Charterausflüge rund um Singapur (Charter für einen Tag: knapp 3000 Euro, ohne Extras). Bei dem anderen Boot handelte es sich um den Motorsegler "Four Friends". Eigentümer: Warren Blake. Der 18m lange Zweimaster war der krasse Gegensatz zu dem hochmodernen Trimaran. Zwar erst 11 Jahre alt war es im Stil der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts gebaut und ganz aus Holz. Seit 3 Monaten lagen die beiden Boote nun schon in Phuket auf dem Trockendock. Eine übliche Praxis von Jachtbesitzern aus Singapur, denn eine Instandsetzung kommt in Singapur zu teuer. Wir konnten ihn davon überzeugen ihm trotz mangelnder Erfahrung nützlich sein zu können, mangels Erfahrung könne er uns allerdings nichts zahlen, aber wenigstens bekamen wir die Fahrt umsonst.

Am 11. April 2008 starteten wir mit den 2 Booten Richtung Langkawi, einer Insel in der zollfreien Zone im Norden Malaysias an der Grenze zu Thailand. Wir entschieden uns dafür mit Kapitän Blake auf "Four Friends" mitzusegeln. Für den Trimaran hatte Warren einen erfahrenen Kapitän aus Kanada engagiert. So bestand unsere Crew aus Warren, Lina, mir und Glen, einen 65-jährigen New Yorker, der schon vor geraumer Zeit mit seinem 12-m-Segelboot über den großen Ozean von Amerika gekommen ist und jetzt auf seinem Boot in den warmen Gewässern Südost-Asiens seinen Lebensabend genießt. Bis Lankawi blieben die beiden Boote zusammen, um gegenseitig für Werbezwecke Fotos voneinander zu schießen.

Vom ersten Augenblick an wurden wir als vollwertige Crewmitglieder akzeptiert und behandelt, obwohl wir von Booten keine Ahnung hatten. Der Kapitän ist sehr bekannt in der Jachtszene von Singapur. Er hat viel Freude daran mit Kindern zu arbeiten, die er auf sein Boot nimmt, um ihnen das Segeln beizubringen und vom Ozean zu erzählen. So behandelte er auch uns und wir lernten eine Menge über Knoten, wie man mit Segeln umgeht, übers Steuern, Navigieren und Schiffverkehrsregeln.

Wir ankerten auf unserem Weg nach Langkawi an 2 kleinen unter Naturschutz stehenden thailändischen Inseln. Hier schnorchelten wir zum ersten Mal in unserem Leben über einem Korallenriff in tropischen Gewässern. Wir waren fasziniert von den bunten, kräftigen Farben und der Mannigfaltigkeit des dort existierenden Lebens. Ich sah orange-weiß gestreifte Clownfische. Wie auch in dem computeranimierten Film "Findet Nemo" zu sehen, lebten sie in Symbiose mit einer Seeanemone, zwischen deren giftigen Tentakeln sie sich vor Fressfeinden schützen.

Unser Kapitän war ein leidenschaftlicher Biertrinker und in Kuah-City auf Langkawi kaufte er für umgerechnet über 500 EURO fast 2.000 Dosen unter Lizenz in Malaysia hergestelltes Carlsbergbier. Hier waren wir in einer zollfreien Zone und das Bier ist sehr billig. Die Stadt hat zahlreiche Läden, voll mit Alkoholika verschiedenster Sorte, ein Widerspruch in einem Land, in dem die Staatsreligion der Islam ist. Jeder frei verfügbare Platz auf dem Boot wurde mit Bierdosen vollgestopft und der "Biertransporter" wurde um fast eine Tonne schwerer. Als wir Langkawi verließen, ließ sich das Wasser, das durch die hölzernen Schiffsplanken ins Innere drang, nicht mehr abpumpen. Der Maschinenraum stand schon knietief unter Wasser und der Kapitän lief mit gespielter Panik durch das Boot: "The boat sinks, the boat sinks!". Am nächsten Tag stellte sich heraus, dass Bierdosen einen Schlauch zur Wasserpumpe abgeklemmt hatten. In Singapur kostet das Bier das dreifache und Warren sagte, das erworbene Bier würde ihm 1 Jahr ausreichen, bis zu seinem nächsten Trip nach Langkawi.

Auf dem restlichen Weg nach Singapur gesellte sich noch der gebürtige Londoner John zu unserer Crew hinzu, der auch in Singapur lebte. Bis Langkawi fuhr er auf "Long Ranger" mit. Hier gab es nicht viel zu tun, denn fast alles ging vollautomatisch und es wurde ihm langweilig. Seine Tätigkeit bestand vorwiegend darin Bier zu trinken und sich DVDs anzuschauen. Auf unserem Boot hatte seine Langeweile ein Ende. Unser Kapitän nannte sein geliebtes Boot spaßeshalber "Sklavenschiff", denn alles musste wie in alten Zeiten per Hand gemacht werden. Wir fuhren die ganze Zeit mit Motorkraft, doch bei der kleinsten Brise, die versprach das langsame Boot auch nur um ein paar Knoten zu beschleunigen, wurden alle fünf Segel gesetzt und das war Knochenarbeit auf dem "Sklavenschiff". Der alte Kapitän schimpfte fortwährend über die moderne Technik, die ihm, statt sein Leben zu erleichtern, es ihm eher zu erschweren schien. Das Boot verfügte zwar über Radar und GPS, aber der normalerweise auf allen modernen Booten vorhandene elektronische Autopilot wurde dadurch ersetzt, dass man das Steuer mit einem Weinkorken festklemmte. Davon hatte er etwa 30 Stück in einem Fach beim Steuerrad, alle von der gleichen Sorte, und er scherzte, dass nur die Korken dieses französischen Weines funktionieren würden. Da dieses System natürlich einen elektronischen Autopiloten nicht ersetzen konnte, musste ständig jemand am Steuer stehen, Kurs halten und nach Wasserfahrzeugen auf Kollisionskurs Ausschau halten. Diese Tätigkeiten sind normalerweise schnell zu erlernen und so durften auch wir beide mehrmals tagsüber am Steuer stehen. Als wir in die Nähe von Singapur kamen, wurde die Sache allerdings brenzlig. Hier befindet sich der größte Hafen der Welt und es gibt regelrechte Autobahnen von gigantischen Frachtschiffen von und nach Singapur. Schiffe haben keine Bremsen und die Schiffslinien zu kreuzen kann gefährlich werden, wenn man die Geschwindigkeit der Frachter unterschätzt. Die internationalen Schifffahrtsregeln besagen, dass man diese Linien mit einem kleinen Boot im 90-Grad-Winkel kreuzen muss um den Schifffahrtsverkehr nicht zu gefährden und die Möglichkeit einer Kollision gering zu halten. Hier überließen wir das Steuer lieber dem erfahrenen John, der uns geschickt nach den Anweisungen des Kapitäns durch diese gefährliche Zone manövrierte.

Der Kapitän war nicht geizig mit der Ausgabe seines in Langkawi erworbenen Carlsbergbiers und nach jeder erfolgreich beendeten Arbeit gab es eine Bierpause. Er liebte Holz und war besonders stolz auf einen neuen auf dem Vorderdeck montierten Tisch aus Rosenholz. Zum Abendessen wurde dann immer der Schutzüberzug entfernt und jedes Mal strich der Kapitän dann liebevoll über das Holz und sagte: "Isn't it beautiful?" Wir saßen dann alle im Mondschein bei Bier und Wein harmonisch zusammen und ließen uns die köstlichen von Lina zubereiteten Mahlzeiten schmecken. Wenn wir den Kapitän fragten, wann wir in Singapur ankämen, antwortete er stets mit einem Schmunzeln: "Before Christmas".

Auf solch einem Segelboot vergisst man all seine Sorgen und die Zeit. Es gibt keine Telefone, keine Fernseher und man muss keine eMails abrufen. Es gibt nur den weiten Ozean und die kleine Nussschale, auf der man schwimmt. Des Öfteren sahen wir Delfine, die unser Boot begleiteten und wir beneideten sie um ihre Freiheit. Das machte uns Lust auf mehr und wir spielten mit dem Gedanken, uns ein eigenes Boot anzuschaffen.    andreaslina@yahoo.de




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