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Bericht 37 +++ November 2006 +++ Über das "Dach der Welt"

Das Qinghai-Tibet Plateau im Südwesten Chinas ist das höchste und jüngste Plateau der Welt und entstand vor erst 2 Millionen Jahren durch die Kollision der Indischen mit der Eurasischen Platte und der daraus resultierenden Erhebung der Erdkruste. Vor dieser Zeit war hier ein weites Meer, als Beweis dafür findet man in dieser Region auf 4000m über dem Meeresspiegel kurioserweise Unmengen antiker Meeresfossilien vor. Heute ist hier ein ausgedehntes, trockenes, wüstenähnliches Gebiet mit einer spärlichen Vegetation, Heimat der Tibeter und weltbekannt als "Dach der Welt". Über den öden nördlichen Teil dieses Plateaus führte unser Weg gen Osten, rund 1900km von den Städten Qarkilik in der Provinz Xinjiang am Rande der Taklamakan Wüste bis Xining, der Hauptstadt der Provinz Qinghai, mit einer durchschnittlichen Höhe von mehr als 3000m. Dies war wohl der schwierigste und entbehrungsreichste Streckenabschnitt auf unserer mittlerweile über 2 Jahre währenden Reise. Trotz der versorgungstechnischen Schwierigkeiten waren wir fasziniert von der mondartigen Landschaft. Nur der blaue Himmel erinnerte uns daran, dass wir uns noch auf unserem Planeten befanden. Die gerade hinter uns liegenden 1600km durch die Taklamakan Wüste waren dagegen der reinste Spaziergang.

Ein erneuter Rahmenbruch meines Fahrrads verzögerte unsere Weiterreise um einen ganzen Monat und der herannahende Winter machte unseren Trip zur Tortur. Wir waren froh endlich wieder in die Berge zu kommen, nach öden, flachen 1600km Sandwüste, aber wir unterschätzten die Kälte. Eines Nachts maßen wir -19 Grad Celsius im Zelt, da hört der Spaß auf. An solchen Tagen verbrauchten wir bis zu einem Liter Benzin für unseren MSR-Benzinkocher, um die Situation einigermaßen erträglich zu machen. Not macht erfinderisch, und so lernten wir auch mit dieser Situation umzugehen. Bei extremer Kälte benutzten wir bis zu 4 unserer Aluminiumfahrradflaschen als Wärmflaschen. Vom Benzinkocher erhitztes kochend warmes Wasser wurde in die Flaschen abgefüllt und in den Schlafsack gelegt. Sehr sinnvoll, denn außerdem machten wir durch die zeitaufwendige Prozedur das Wasser durch das Abkochen bakterienfrei und damit trinkbar, außerdem wurde das Zelt aufgeheizt. Bis zu 2 Stunden brannte das zuverlässige Gerät und die Temperatur verbesserte sich bis zu 9 Grad Celsius nach oben. Meist schliefen wir in vom Straßenbau ausgehobenen zwischen 2 und 5 Meter tiefen Gruben. Das war nicht sehr romantisch, aber nützlich, hätten wir uns bei diesen Temperaturen auch noch dem eisigen Wind ausgesetzt, wären wir wahrscheinlich bald zu Eis erstarrt. In solchen kalten Nächten schläft man nicht besonders gut, wacht öfters auf, denn die körperliche Intelligenz trägt Sorge dafür, dass man nicht erfriert. In besonders kalten Nächten heizte ich zwischenzeitlich gegen 2 Uhr in der Nacht noch einmal die Wärmflaschen auf und machte Tee. Morgens dienten die Flaschen dann dazu sich zwischenzeitlich beim Zeltabbau die Hände aufzuwärmen, später dann als warmes Getränk.

Im Straßenbau sind die Chinesen Weltmeister, doch nicht alles haben sie unter Kontrolle. Die neue Asphaltstraße 315 von Qarkilik nach Xining ist noch im Bau und an einem Teilabschnitt trafen wir auf eine Stelle, die unseren Nerven und Kräften alles abverlangte. Die Straße führte durch ein Sumpfgebiet mit einem riesigen See. Bewegende Wassermassen hatten auf 3km die Straße total aufgeweicht, mit dem Auto war hier kein Durchkommen mehr. Ein Tanklastzug stand hoffnungslos versunken im Morast. Mit den Fahrrädern waren wir gegenüber den Autos im Vorteil, doch brachen wir des Öfteren knietief in die aufgeweichte Straße ein und benötigten mehr als eine Stunde, uns mit unseren schweren Vehikeln schiebend durch diesen Morast zu kämpfen.

Oft gab es keine Einkaufsmöglichkeiten und kein Wasser. Wegen des neuen Verlaufs der Straße existierten die auf unseren Karten eingezeichneten Orte nicht mehr und wir waren häufig auf die Gnade von Straßenarbeitern angewiesen, uns mit Wasser und Lebensmitteln zu versorgen.

Am 29. November überquerten wir den auf diesem Streckenabschnitt höchsten Pass mit 3800 Metern. Von nun an sollte es nur noch bergab gehen, 200km bis zur auf 2200 Metern gelegenen 2 Mio. Stadt Xining. Froh den Bergen ohne Blessuren entkommen zu sein, trafen wir in einem kleinen Ort hinter dem hohen Pass an dem für die Tibeter heiligen, größten See Chinas "Qinghai Hu" auf einen Fahrrad fahrenden Chinesen, der in die entgegengesetzte Richtung fuhr. Überzeugt von seinem Vorhaben zeigte er uns seinen Alaskamantel, Pelzschuhe und einen großen Medizinkoffer. Uns schüttelte es nur bei dem Gedanken an sein Vorhaben und wir verkrümelten uns in wärmere Gefilde.    andreaslina@yahoo.de




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