Bericht 50 +++ September 2008 +++ Auf den Dirt Roads Australiens

Als wir nach rund 2.300 Kilometern den berühmten Stuart Highway verliessen, erlebten wir ein ganz anderes und schöneres Australien. Hier befanden wir uns im sogenannten "Red Center". Der Name kommt nicht von Ungefähr, denn die Landschaft hat hier tatsächlich einen intensiven roten Farbton. Fern der eingefahrenen Touristenpfade findet man das Abenteuer auf den sogenannten "Dirt Roads" (wörtlich übersetzt: Dreckstrassen). Das sind unbefestigte Straßen mit Gravel (Kies) oder Sand als Belag. Diese Straßen sind überall im australischen Outback zu finden und werden meist nur von ortsansässigen Australiern genutzt. Der Kontinent ist so dünn besiedelt und diese Straßen werden so wenig befahren, dass es sich einfach nicht lohnt und viel zu teuer wäre, diese Verkehrswege zu asphaltieren. Um sich sicher auf Dirt Roads zu bewegen, braucht man einen Geländewagen mit Allradantrieb. Viele Fahrzeuge sind auch mit einem sogenannten Schnorchel ausgerüstet, das ist ein am Luftfilter angeschlossenes Rohr, das verhindert, dass bei Überflutungen Wasser in den Motor läuft. Sich mit dem Fahrrad über diese Straßen zu bewegen ist schieres Abenteuer. Der Untergrund ist häufig so schlecht, dass einem nichts anderes übrigbleibt, als zu schieben. Häufig gibt es hunderte von Kilometern kein Wasser und keine Siedlungen. Man muss sehr gute Karten haben und am besten ein GPS-Gerät, denn über lange Distanzen sind die Fahrbahnen nicht markiert, kommt man vom Weg ab, kann man elendig verdursten.

Wir starteten unseren Trip auf diesen Dirt Roads in Coober Pedy. Hier wurde 1915 Opal gefunden und der Ort ist nun umgeben von unzähligen hügelartigen gelben Ausschüttungen der Minenschächte. Der Boden rund um Coober Pedy ist förmlich durchlöchert. Unglaubliche 250.000 Schächte soll es hier geben und es wird unter Androhung von Strafe davor gewarnt, die Straße zu verlassen. Auf 35 km vor Coober Pedy ist praktisch die ganze Gegend abgesperrt und durchlöchert und man darf sich nur auf der Straße bewegen. Von Coober Pedy ging es dann 500 km auf Dirt Roads nach Beltana. Das taten wir nicht ganz freiwillig, denn das Haus unserer Freunde liegt im tiefsten Outback, abseits des Stuart Highway. Über 20 Liter Trinkwasser schleppten wir auf unseren Fahrrädern und über 20 kg Lebensmittel. Das waren pro Fahrrad über 70 kg Gepäck.

Auf dem ersten Streckenabschnitt, der Verbindungsstraße zwischen dem Stuart Highway und dem Oodnadatta Track gab es auf 160 km kein Wasser und auch die Straße war in einem äußerst schlechten Zustand. Den guten Belag vom Stuart Highway gewohnt übersah ich schon nach wenigen Kilometern eine tückische Anhäufung von Sand auf der Straße und legte mich prompt und völlig unerwartet mit meinem fast 90 kg schweren Gefährt in voller Fahrt in den staubigen Dreck. Unerwartete Stürze sind die schlimmsten, denn der Körper hat nicht die nötige Wachsamkeit um diese angemessen abzufedern. So wurde mein rechtes Knie arg lädiert und ich hatte für den Rest der Woche Probleme aufs Fahrrad zu steigen. Ich hatte Angst weiterzufahren aus Furcht vor einem weiteren Sturz. Angst ist unangenehm, doch häufig ein lebensrettender Begleiter. So überstand ich den nächsten nicht minder heftigen Sturz am nächsten Tag dank erhöhter Wachsamkeit ohne Blessuren.

Dank starken Rückenwinds schafften wir die 160 wasserlosen Kilometer in zwei Tagen und trafen auf den Oodnadatta Track. Die Straße wurde besser und auch die Wasserversorgung war mit dem salzigen “Bore-Wasser” (Bericht 51) einigermaßen sichergestellt. Einige Leute vertragen dieses Wasser nicht und normalerweise wird es nur zum Tränken von Vieh verwendet, aber notgedrungen tranken wir es. Wie froh waren wir, wenn wir gelegentlich an gutes Trinkwasser kamen. In den Ruinen der Bahnhöfe der stillgelegten Eisenbahn, dem legendären "Old Ghan Railway", kann man umsonst übernachten. Diese Bahn führte auch durch Beltana (Bericht 51) und blickt auf eine Geschichte von 130 Jahren zurück. Sie verband einst Port Augusta mit Alice Springs auf einer Länge von 1.330 Kilometern und wurde 1980 wegen sich wiederholender Flutkatastrophen stillgelegt und weiter westlich wieder aufgebaut. Wir bewunderten die Leistung der alten Pioniere, die hier im trostlosen Nirgendwo des australischen Kontinents praktisch nur mit Picke und Schaufel diese Bahnlinie erschufen. An einem Tag gerieten wir in einen Sturm mit Spitzengeschwindigkeiten von 120 Kilometern pro Stunde. Der Himmel verfinsterte sich und die Sonne verschwand im rötlichen Sandgestöber. Wir konnten uns kaum noch auf den Fahrrädern halten, der von der Seite kommende Sturm ließ unser Biken zu einem unfreiwilligen Eiertanz entarten. Zum Glück erreichten wir nach 10 km die schützenden Mauern der Ruine des stillgelegten Bahnhofs von Curdimurka. Auch Motorradfahrer hatten hier Schutz gesucht, auch ihnen wurde der Wind zu gefährlich. Nachdem wir uns gemütlich in einem kahlen Raum der Ruine eingerichtet hatten, stand plötzlich, wie aus dem Nichts kommend, unser Freund John mit seinem Range Rover vor der Tür, der uns in Beltana erwartete und sich Sorgen um uns machte. Er hatte Sand in den Augen und sah fast enttäuscht aus, als er uns wohlauf in einem Raum der Ruine vorfand. Sage und schreibe 250 km kam er aus Beltana durch den schweren Sturm gefahren um uns nötigenfalls zu helfen, falls wir in Schwierigkeiten stecken sollten. 10 Liter gutes Wasser hatte er für uns im Gepäck. Einen solchen Sturm habe er seit Jahren nicht erlebt und zeitweise war die Sicht so schlecht, dass er sich mit einem Blick aus dem Seitenfenster orientieren musste, um die Spur von dem Track nicht zu verlieren. Bei Ankunft befreite er erst mal seinen Luftfilter vom Sand, das dritte Mal an diesem Tag sagte er. Wir waren berührt wegen seiner Sorge um uns und fast war uns peinlich, dass er faktisch "umsonst" gekommen war. Doch es hätte tatsächlich äußerst unangenehm für uns werden können, denn die nächsten 50 Kilometer gab es außer ein paar spärlichen Büschen keinen Schutz vor dem Wind. Sicher, wir hätten überlebt, irgendwo eng zusammengekauert im Windschatten der Fahrräder, aber es wäre ohne Zweifel äußerst unangenehm geworden. Nach einer halben Stunde verschwand unser Freund wieder im dichten Sandgestöber und schließlich trafen wir uns nach 5 Tagen wohlbehalten wieder in Beltana, und genossen einen Komfort, wie wir ihn seit Monaten nicht mehr gehabt hatten.

www.canismajor.de   Foto: Bahnhofsruine Curdimurka   andreaslina@yahoo.de   © Andreas Killat