Bericht 47 +++ Juli 2008 +++ Überfahrt nach Australien

Wir haben es tatsächlich geschafft. Wir haben Australien, sozusagen "über Land" (auf dem Land- und Wasserweg) ohne das Flugzeug zu benutzen, erreicht.

Die letzte und schwierigste Hürde waren die rund 1.000 km von der südlichsten Insel Indonesiens Timor bis Australien. Hier gibt es merkwürdigerweise keine regulären Schiffsverbindungen für Passagiere, obwohl hier der asiatische auf den australischen Kontinent trifft. Wir hatten jedoch Glück. Ein Team des britischen Fernsehsenders BBC charterte für die Überfahrt den in Australien registrierten Motorsegler "Oelin" vom australischen Kapitän und Bootseigentümer Warwick Hill. 10.000 Australische Dollar (AUD) zahlten sie für die Überfahrt (1 Euro = 1,64 AUD). Wir arbeiteten als Crew und bekamen die Überfahrt umsonst. Der einmastige Motorsegler war erst 5 Jahre alt, etwa 20 m lang und wie die "Four Friends" (Bericht 44) ganz aus Holz gebaut. Um Kosten zu sparen ließ Warwick das Boot in Indonesien bauen, wegen der pingeligen Quarantänebestimmungen der australischen Behörden musste er jedoch 20.000 AUD "Schmiergeld" bezahlen, damit er das Boot in Australien registrieren durfte. Warwick ist ein tollkühner und geschickter Mann. Niemand geht zu dieser Jahreszeit von Indonesien nach Australien wegen der starken Winde die stets aus Südosten kommen. Viele behaupten sogar, dass es nicht möglich wäre, doch Warwick war von seinen Fähigkeiten als Seemann und von seinem von eigener Hand erschaffenen Boot überzeugt, auf dem er jede Schraube kannte und auf dessen Deck er sich selbst bei schwerstem Seegang geschmeidig bewegte, wie ein Akrobat auf einem Drahtseil. Er baute auf seinen starken Dieselmotor und setzte nur selten die Segel, gegen den starken Wind anzukreuzen war so gut wie unmöglich und hätte viel zu viel Zeit erfordert.

Wir waren zu sechst an Bord. Warwick, Toni sein 1. Maat, die beiden BBC-Leute Mungu und Charley und schließlich Lina und ich. Die beiden BBC-Leute arbeiteten nicht direkt für die BBC, sondern für eine Company von etwa 15 Leuten, die den Trip organisierte, und das gewonnene Material verarbeiten und bei Fertigstellung in einer 6-stündigen Reisedokumentation an die BBC verkaufen wollte. Unter dem Motto "BY ANY MEANS" folgten sie fast der gleichen Reiseroute wie wir, "über Land" von Europa nach Australien. Der krasse Unterschied bestand allerdings darin, dass sie nur 3 Monate unterwegs waren und wir 4 Jahre. Außerdem benutzten sie, wenn es ihnen nicht schnell genug ging, das Flugzeug und waren nie mit dem Fahrrad unterwegs. Trotzdem heuchelten sie "über Land" mit Truck, Zug, Bus, Esel, Kamel und Schiff unterwegs gewesen zu sein, erwähnten jedoch nie das Flugzeug. Zum ersten Mal erlebten wir hautnah die Verlogenheit mancher Reisedokumentationen. Dieser Boottrip sollte in der BBC-Dokumentation nur 2 Minuten Platz finden, gefilmt wurde aber etwa das Hundertfache. Gezeigt werden sicher nur die Schokoladenseiten. Mungu war der Kameramann und Charley, der Schauspieler, sprach jeden Tag vor der Kamera über seine Erlebnisse und Gefühle. Als die See schwerer wurde und es ihm offensichtlich schlecht ging, wurden die Aufnahmen weitgehend eingestellt und Charley lag nur noch unter Deck in seiner Koje. Wir kannten Charley Boorman aus dem Film "Der Smaragdwald" von 1985 unter der Regie seines Vaters John Boorman. Er spielte dort die Rolle des jungen Tommy, der schon als Kleinkind von Indianern in den brasilianischen Dschungel verschleppt worden war. Wir erinnerten uns noch sehr gut an die leuchtenden grünen Augen, die trotz seines jetzt gealterten Gesichts nichts von ihrer Intensität verloren hatten. Obwohl der Kapitän uns am Anfang versprochen hatte, uns einiges übers Segeln und Navigation beizubringen, spielten wir, sobald die BBC-Crew an Bord war, keine Rolle mehr. Kapitän Warwick beschäftigte sich praktisch nur noch mit Mungu und Charley und wir waren nur noch zum Kochen und Putzen da.

Als wir aus dem Windschatten der Insel Timor auf die offene See fuhren, wurde es ungemütlich. So schweren Seegang hatte selbst der Kapitän nicht erwartet. Die Wellen türmten sich mit weißen Schaumkronen bis zu 4 Meter hoch, die Gischt klatschte über das Vordeck gegen die Fensterscheiben und der Kapitän musste den Motor drosseln. Das kleine Boot bewegte sich schwerfällig durch die Fluten, doch wir genossen es hinten auf dem Achterdeck zu sitzen und die haushohen Wellen zu beobachten, die einen schier zu verschlingen drohten. Wir tanzten wie rohe Eier durch das Boot, Gefahr laufend zerschmettert zu werden oder von Bord zu rollen. Bis zu 50 Grad neigten wir uns auf die rechte Seite. Der Kapitän beruhigte uns und meinte, das Boot könne 90 Grad verkraften, erst dann würde es kentern. 3 Tage mussten wir diese schwere See ertragen, bei der alles auf dem Boot durcheinander purzelte und wir des Nachts mehrfach aus unseren Betten fielen.

Nach 5 Tagen erreichten wir schließlich Darwin, ganz im Norden des australischen Kontinents. Wir durften das Boot nicht verlassen und unter der Aufsicht eines für die Quarantäne verantwortlichen Regierungsbeamten wurden die Fahrräder, Schuhsohlen und Gepäck peinlichst auf eventuell eingeschleppte Krankheitserreger untersucht. Weil wir davon wussten, hatten wir schon in Indonesien alles gründlich gereinigt, trotzdem mussten wir nochmal die Sachen mit einem Desinfektionsmittel abputzen, "pro forma" sozusagen. Nach dieser Prozedur durften wir einige Stunden später das Boot verlassen, der australische Kontinent wartete auf uns.   

www.canismajor.de   Foto: Motorsegler "OELIN"   andreaslina@yahoo.de   © Andreas Killat